13.11.2014

Deutschland macht blau

20 Jahre ist Michaels erster Titelgewinn her, aber die Auswirkungen sind bis heute spürbar. Eine ganze Nation hat 1994 endgültig ihre Liebe zum Motorsport entdeckt.

Deutschland macht blau

Das entscheidende Rennen in Adelaide fahren weder Michael noch sein Gegenspieler Damon Hill zu Ende. Aber im dritten Jahr mit Benetton sind Fahrer und Team so weit, sich durch nichts vom Ziel abbringen zu lassen. Es ist ein dramatisches Jahr, voller Tragödien und politischer Kämpfe. Der Aufsteiger aus Kerpen wird erstmals so ernstgenommen, dass man ihn auch abseits der Strecke bekämpft. Michael hat in dieser Saison gelernt, dass er sich vor allem auf sich selbst verlassen kann. Vor allem aber spürt er nach dem ersten Triumph, was für ihn in der Formel 1 noch alles möglich ist.

Aus der Formel 1 wird die Formel Schumi. Und in Deutschland passiert etwas Ähnliches wie neun Jahre zuvor nach Boris Beckers erstem Wimbledon-Sieg, ein Boom entwickelt sich. Nur mit dem Unterschied, dass der Motorsport durch die Nähe zur Automobilindustrie auch wirtschaftlich enormes bewegt. Michaels Titelgewinn verleiht einem Sport, der bis dahin als teurer Spielplatz für Adrenalin-Junkies galt. Viele deutsche Firmen wollen plötzlich in der Königsklasse mitmischen, steigen als Sponsoren oder Akteure ein. Ganz neue Dimensionen, auch gesellschaftliche. Die Formel 1 ist plötzlich salonfähig.

Es scheint fast so, als hätten die Deutschen mir ihrer Liebe für das Automobil nur auf eine sportliche Entsprechung des Prädikats „Made in Germany“ gewartet. Plötzlich bekommen die Stammtischdiskussionen um die Fußball-Bundesliga Konkurrenz durch die Formel 1, laufen die Rennübertragungen vor einem zweistelligen Millionenpublikum, erleben Kartbahnen einen enormen Zulauf. In Baden-Württemberg tragen die ABC-Schützen Schumi-Kappen auf ihrem Schulweg, von Amts wegen. Die Formel 1 ist endlich angekommen im Land der Autobahnen.

Den Menschen und Sportler Michael Schumacher verändert der erste von sieben WM-Titeln hingegen kaum. „Ich bin keine Legende“, wehrt er schon früh ab, „ich bin nur jemand, der das Glück hat, in etwas gut zu sein, das ihm Spaß macht.“ Hinter dieser öffentlichen Schüchternheit verbirgt sich ein enormer Wille. Als 25-Jähriger beginnt er bereits, einen ganz neuen Typus eines Formel-1-Rennfahrers zu prägen: Analytischer, fitter, komplexer. Sich herauszufordern wird sein Alltag.